Palais Principe, Imagebuch, Textauszug




The Meeting: Ulla, Alice und Debra in Wien

Montag, 7. Juni 2010. Um Punkt 9.30 läutet es. Am Videoscreen der Gegensprechanlage erscheint Alice, elegant wie immer, und bekommt sofort einen Lachkrampf, nachdem ich in gebrochenem Französisch antworte. Dann empfange ich sie mit meiner französischen Weißclownmaske. Dieser neue kleine Brauch erfüllt mich – und die meisten meiner Gäste - mit großer Heiterkeit: Ich lege zur Begrüßung unterschiedlichen Kopfschmuck bzw Haartracht an, manchmal auch eine Maske aus meiner Sammlung – natürlich nur für besondere Gäste, bei denen dieser neue spleen nicht vergeudet ist. Wobei, irren ist männlich, äh menschlich ;-)

Nach und nach trudeln auch Ulla und Debra ein, wobei Ulla meine afrikanische Vogelmaske nicht goutiert, und meint, kein Wunder, dass wir einen eigenen Lift haben... Debra dagegen will sofort meine Hexenperücke haben, nachdem sie die tolle Eingangstür (originalgetreu wiederhergestellt à la Jugendstil – und dennoch eine Sicherheitstür auf dem letzten Stand der Technik!) bewundert hat.

Dann sind alle zunächst einigermaßen sprachlos, die 300 m2 der Wohnung wirken, keine Frage. Und das tut mir gut, sehr gut. Ganz gelassen führ ich sie überall durch, sie nicken anerkennend im großzügigen Foyer vor unserem Dachstein in Öl vom Brandl. Angesichts der 3 Schlafzimmer meint Debra mit typisch britischem Unterton: „I didn’t know you and Joachim are already working on your offspring, i think there is room for two twins“. Sie pfeifen leise durch die bemalten Lippen in unserem private Spa - ich hab auch keine Probleme, das jetzt so zu nennen :-) - mit dem Naturstein aus den Abruzzen und lassen schließlich zarte Wows ertönen angesichts des weiten, hellen Ess- und Wohnraums. Ulla hat es besonders die Loggia angetan, auf der wir dann auch unser Frühstück einnehmen, das sich dann aber natürlich zum Brunch entwickelt.

In der offenen Küche bin ich dann ganz die Chefin, die Mischung aus den irren Brötchen vom Schwarzen Kameel mit meiner Spezial Clam Chowder kommt genau richtig.

Gegen Mittag beginnt die Sonne hereinzubrüllen, es wird ziemlich warm für Anfang Juni; herrlich, denn jetzt kann ich wieder beiläufig die Vorzüge der Wohnung in Szene setzen, leise schnurren draußen vor den Fenstern die Lamellen runter, und schon ist es angenehm gedämpft im Raum, dazu sinkt unmerklich kühle Luft vom Plafond – tja, diese High tech Kühldecken sind tatsächlich genial!

So vergeht der Tag im Nu, die drei erzählen aus ihrem Leben der letzten Zeit, Ulla zieht nach Berlin, Alice hat den Job gewechselt, ist jetzt bei einem Börsenmakler (!) und Debra ist nach wie vor bei der BBC. Ich kann dafür ausgiebig meine neuen zahlreichen Kulturerrungenschaften aus Wien präsentieren, und spätestens als Sibelius, meine neue Leidenschaft, überall in der Woohnung sanft aus den Wänden dringt, sind sie restlos begeistert. Auf so eine intelligente Haussteuerung für Musik, Fernsehen, Licht usw. könnte ich nicht mehr verzichten. Muss ich auch nicht...

Nächstes Mal treffen wir uns jedenfalls in London, bei Debra, und sie hat sich gleich sicherheitshalber entschuldigt für Ihre Wohnung im Vergleich zu meiner, wobei: hinter dem Picadilly Circus lebt sich’s auch nicht schlecht.

 

 




Endlicher für moodley, Text, Konzept (mit Gerd Schicketanz), 2010. Wiedergegeben ist einer der Tagebucheinträge von Camilla, einer fiktiven Mieterin im neu adaptierten Nobeleigentumswohnhaus am Hohen Markt, Wien. Das aufwändig gestaltete und in Nussholzbox verpackte „Tagebuch“ erhielten die realen Wohnungseigentümer als Willkommenspresent.