Das Buch der Texter, Textauszug




Artificial Creativity!

Schluß jetzt. Also, ich hab' noch 6 Chancen. Einer von denen muß sich doch, gottverdammt, erinnern können, muß doch noch aus den Löchern seines Gehirnschwamms zu Tage fördern können, wieso sich der alte Jakobs geirrt hat. Und wobei. War es die Veresterung? Oder ist H2Q doch kein Tippfehler? Und das Pulver von zerstoßenem Schnabeltierschnabel: Jux oder entscheidende Ingredienz? Hatte sich gar - horribile dictu - die DNS-Verschmelzung der transgenen Virenstämme mit den Zellen der Großsynapsen entgegen sämtlicher Prophezeiungen doch als Bumerang erwiesen?
Mein Gott, es hätte alles verändert. Wir waren so nah dran: AC - Artificial Creativity. Eine Ampulle davon und du entwickelst aus deinen mickrigen Volkshochschulanwandlungen unweigerlich wahres Genie: Verarbeitest Heidegger zu einem Schelmenroman, bearbeitest das Gilgamesch-Epos für Täglich Alles, läßt Augustinus - oder Casanova - in deinem Schaffen reinkanieren. Bringst Faust 3 heraus, schreibst die Frau ohne Eigenschaften und machst durch deine Theaterstücke Bernhards Tod vergessen. Malerisch brillierst du im Stile Rubens', Goyas, Monets. Deine Keramiken sind besser als Picassos, dein ORF-Design moderner als Brodys und David Carson geht dir als Reinzeichner zur Hand. Du wirst als zweiter Mapplethorpe gehandelt, komponierst Andrew Lloyd Webber in Grund und Boden und schreibst Drehbücher für Kubrick und Tarantino; dann erhörst du das Flehen der Major Studios und drehst die Filme selber...
Mein Gott, es war zu schön um wahr zu sein. Ich höre Girnberger, schwer in Trance, noch rufen: Vive la creativity! Vive la femininity! Und Geer, besoffen: Das ist das Ende des Weltspießertums! Und Kauendorfer: Trillionen nie verkosteter Amuse-geules, delicious!




Endlicher für das „Buch der Texter“ (Idee: Thomas Kratky), 1997. 25 Werbetexter schrieben einen Fortsetzungsroman, die Schreibreihenfolge bestimmte das Los. Nach mir sollten noch 6 Schreiber folgen.