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In the beginning there was Hong Kong. Hong Kooong – Aaaaaaaaaaaaabidubidabi Hong Kong!

„Standing on a Corner – in Hong Kong,
my baby was gone – in Hong Kong.“

Nie teilten meine Frauen meine musikalischen Vorlieben – nur Screaming Jay Hawkins mochten sie irgendwie, vor allem I put a spell on you. Ich stand immer auf Hong Kong. Konnte ich wissen, dass ich einmal der zentrale Protagonist dieser abstrusen Hymne auf verlassene Dolme sein würde? War ich wenigstens so cool wie der Held im Song? Eher nicht. Ich war der Gelackmeierte in Hong Kong – ausgerechnet bei der Frau meines Lebens. Ok, damals war sies noch nicht, ok, sie ist es auch jetzt noch nicht, aber ich bin mir da immer noch so galaktisch sicher wie am ersten Tag, und sie war schon damals reif, es genau so zu sehen – sie gibt sichs nur noch nicht zu.

Kowloon, Star Ferry Pier. Die Fähre mit Stella an Bord legte vor meiner Nase ab, der Bedienstete bellte mich von der Gangway zurück, die Fähre schrammte am Pier entlang und schob sich vor meiner Nase ab in Richtung Insel. Ich hatte Stella sekundenbruchteilhaft in der Masse erkannt – dachte ich jedenfalls.

Weg war sie. Dennoch bestieg ich trotzig die nächste Fähre – die Gesichtsausdrücke der Passagiere gaben den passenden Kommentar zu meiner sinnlosen Aktion... Das hatte sie natürlich absichtlich gemacht – aber warum eigentlich? Wollte Sie mich verlassen? Wozu dann diese globale Schnitzeljagd? Als multipler Neustart für unsere Beziehung? Was passte ihr nicht mehr an mir? Wir hatten’s doch verdammt gut! Ich jedenfalls hatte es verdammt gut... Wie auch immer, ich kam ihr jedenfalls immer näher, diesmal war es wirklich verdammt knapp, wenige Augenblicke nur - und das Spiel wäre aus gewesen. Am Anfang war ich von einem Treffen ja noch meilenweit, Tage und Stunden entfernt...

Begonnen hatte der Wahnsinn am Wienfluss. Es war der neunte Tag in Serie mit über 30 Grad (globale Erwärmung blabla) und wir waren mal wieder an meiner Lieblingsstelle am renaturierten Wienfluss. Unter dem Bogen der Westeinfahrt Richtung A1 hatte sich das erbärmliche Betonrinnsal in ein kleines Paradies für die schnelle Abkühlung jenseits überfüllter Familienkloaken und gelackter Promibäder entwickelt. Menschen (und deren Hunde), die man vielleicht nicht unbedingt zu seinen Freunden zählen will, machten das raue, aber ehrliche Terrain auch immer wieder zwischenmenschlich spannend.

Vielleicht hatte ich Stellas schleichenden Stimmungsabfall zu spät bemerkt, falsch interpretiert oder wollte einfach durch gelassene Unverrückbarkeit in meinen eigenständigen romantischen Vorlieben punkten. Wie auch immer, als ich kurz – wie heißt es so treffend – eine Stange Wasser wegstellen musste, fand ich nach meiner Rückkehr nur mehr einen kryptischen Hinweis auf mein Spex gekritzelt.

Ahoi Alter, bin auf dem Weg ins Herz der Romantik, wo ich mich mit Begeisterung verlaufen werde, um mich erstmal den wogenden Wegen hinzugeben. Typen, die mit dem Namen meines Traumhotels bestenfalls Schinken assoziieren, also Typen wie dir, gehe ich aus dem Weg. - Stella

Das war so weit eine leichte Übung. 3 Tage später hatte ich, nachdem ich meine Großmutter wie gewohnt erfolgreich angeschnorrt hatte, den Zug in Santa Lucia verlassen und brach mit dem Vapo Richtung San Zaccharia auf.

Zufällig wusste ich genau, wo ich sie überraschen konnte, hatte also doch nicht nur Fressen im Kopf.

Doch am Pier hinter dem Danieli fehlte eine der Luxusgondeln. Das musste noch nichts heißen. Mein Magen knurrte. Das war allerdings ein unmissverständliches Zeichen.

Auf einmal bauten sich zwei mafiose Gondolieres (gibts eigentlich auch nicht mafiose?) vor mir auf. Nachdem ich den ersten Schreck verdaut hatte, überfiel mich Verzweiflung, denn sie hatten offensichtlich schlechte Neuigkeiten für mich. Die Signorina ließe ausrichten, radebrechte einer, dass sie bereits auf dem Weg in das „Venedig des Nordens“ sei, sie bräuchte nun etwas kühlere Tage – und vor allem Nächte. Ohne Kunst – keine Liebe. Das sollte ich mir gefälligst hinter das Ohr schreiben. Häh? Er machte eine vielsagende Geste, die mir jedoch gar nichts sagte...

Amsterdam sehen – und lieben. So hatte ich mirs gedacht, aber wieder machte mir das clevere Biest einen Strich durch die Rechnung. Schmachtend lief ich durch die von Liebespaaren vollgestopften Grachten, wusste nicht wohin mit meinen hungrigen Blicken. Der Gedanke an das verflixte Ohr lenkte mich etwas ab. Was meinte sie damit? Als das Tageslicht verschwunden war, kam mir die Erleuchtung.

Van Gogh hatte ich noch nie ausstehen können, immer diese Sülze vom zu seinen Lebenzeiten von der Hand in den Mund lebenden, sich das Ohr abschnipselnden Genie, dessen Bilder heute um zweistellige Millionenbeträge versteigert werden. Na und? Was konnte mich das kratzen? Jede Menge, hätte ich Stella tatsächlich am nächsten Tag im Van Gogh Museum wiedergesehen...
Wieder nichts. Beim Rausgehen bekam ich ein SMS:

Du machst dich. Machen wir weiter: 40.767°N/-73.97°E Damit wir bald wieder alles richtig machen. S.

Und ich machte weiter. Was sonst.



Endlicher für maptales.com, 2007. Die fiktive Reisegeschichte diente zur Illustration des Prinzips der Website, auf die man Geschichten mit Fotos oder umgekehrt stellen konnte. Diese wurden via Satellitennavigation verortet und konnten dann online vor realem Kartenhintergrund „bereist“ werden.