– Soll mit dieser abstrusen Verknüpfung von zeichnerischen Manifestationen auf das mehr denn je vorherrschende Anything-Goes in der zeitgenössischen Kunst verwiesen werden? Wo die Kunstentwicklung der letzten Jahrzehnte in einem Pluralismus endet, der alles relativiert, alles zu jeder Zeit möglich macht und kein begründetes kritisches Urteil mehr erlaubt? Was will die „Celle“ uns hier weismachen? Dass die Verschmelzung von materialbezogenem Pathos mit angestrengter Konzeptlastigkeit einen Ausweg in einen neuen Ismus weisen könnte? In einen Nonsensismus? Das hat uns gerade noch gefehlt. Vielleicht soll mit dieser Sinnhascherei in Zeiten der Krise ja das profane Nichtverständnis von zeitgenössischer Kunst propagiert werden, um das kollektive Denken endgültig für die große materialistische Weltrettung zu säubern. So wird die globale gesellschaftliche Weigerung, zeitgenössische Kunst überhaupt wahrzunehmen, einmal mehr salonfähig. Subtile Subversion in Form eines Zelts aus Sicherheitswesten? Eine krasse Fehlbesetzung. Dieses Ausstellung ist ein Arrangement aus leeren Zeichen, die sich um das große Nichts herum sammeln. Wien kann mehr. Viel mehr.
+ Hier wird etwas Frappierendes hergestellt. In den Worten und Zeichen der Einzelnen über die Sicht als Gruppe auf die Gruppe innerhalb einer Institution etablieren sich ikonografische Betrachtungsweisen von schmerzender Prägnanz und zentrale Blickpunkte eines länder- und kulturübergreifenden Denkens. Es kristallisieren sich Traditionen des in Vergessenheit geratenen Schauens heraus. Kunst entsteht in den Spinnenaugen der Celle mehr als einmal. Diese Augenblicke des Entstehens, diese betrachtenden Blicke finden Eingang in das Denken und Schreiben über (die eigene) Kunst, auch in jedes noch so nahe mit dem Werk verhaftete Kürzel. Trotz oder gerade wegen ihrer a-logischen Präsentation gehen die Zeichnungen ins Netz der kunsthistorischen Einbettung, ins Netz der Sprache der Kunstrezeption. Diese Sprache stellt Übereinkünfte her, siehe das berührende Sinnbild des Zelts aus Sicherheitswesten. Das kunstgeschichtliche Inventar, der zeitgenössische Ausstellungsdiskurs schreiben eine reflektierende Kunstdiskussion voran, Kopie hin, Original her. Die Praxis der Theorie mündet in die Praxis des Kunstmachens selbst. Wechselseitige Reflexion, ein Spiegelverhältnis. Erhellend.
Endlicher, 2012. Textliche Intervention im Rahmen der Ausstellung Sarajevo Transit im Sarajevo Center for Contemporary Art der Gruppe Celle/Künstlerhaus Wien.