„Meine Hoffnungen sind realistisch.“

Der automagic-Komplex von Michael Endlicher im Rahmen der Ausstellung automagic in der Galerie Peithner-Lichtenfels

Schrift ist im Werk von Michael Endlicher omnipräsent. Ob auf Leinwand, Blech, Spiegel oder Wand, ob gemalt, geprägt, sandgestrahlt oder gesprayt: sprachliche Information konfrontiert den Betrachter. Auf formaler Ebene spielt Michael Endlicher bewusst mit der Vielgestaltigkeit schriftlicher Ausdrucksform. Die ästhetische Ausformung realisiert sich manchmal malerisch, manchmal technisch, immer aber im Spannungsfeld zwischen streng und spielerisch. In einigen Fällen kommt es zur Annäherung zwischen gemalten Strukturen und Buchstabenzeilen, in anderen impliziert der formal gestaltete Kontext, in den die Texte gesetzt sind, eine spezielle Form der Überlieferung, etwa als Inschriftentafel.


So variationsreich die ästhetische Realisierung auftritt, so konzentriert artikuliert sich die Aussagekraft. Viele Arbeiten Endlichers basieren auf Einwortsätzen, die im Gegensatz zum kanonischen Satz, der über Subjekt und Prädikat verfügt, den Inhalt mit einem Element zum Ausdruck bringen. Der eingliedrige oder holophrastische Satz vermag sich mit einem einzigen Wort zu äußern. Im Fall der Dramenbleche sind zudem die Substantive nicht näher determiniert: sie verfügen weder über Artikel, Numeralia oder Possesiva. Wenn nun im Dramenblech Nr.137 das Wort „Wiedergeburt“ zwischen „Marxismus“ und „Südseeinsel“ zu finden ist, könnte man nach dem Prinzip des Einwortsatzes, den wir aus dem frühkindlichen Spracherwerb kennen, eine Analogie zu den unterschiedlichen Auslegungen etwa des Ausrufs „Ball“ eines Kleinkindes ziehen: „Wo ist der Ball/die Wiedergeburt?“ - „Da ist der Ball/ die Wiedergeburt.“ - „Ich will den Ball/die Wiedergeburt!“. Im Konnex mit „Marxismus“ und „Südseeinsel“ ergibt sich auf Dramenblech Nr. 137 eine eigenwillige Komposition. Im Fall des Dramenblech Nr.39 jedoch entsteht aus der Zusammenstellung von „Lamm - Gebet - Tod“ eine sinnhafte Reihung vor dem Hintergrund des religiös-kulturellen Vorwissens des Betrachters. Bei den Dramenblechen wird zudem jedem Buchstabe aufgrund seiner Stellung im Alphabet ein Zahlenwert zugeordnet. Die drei Worte, die übereinander gesetzt werden, verfügen jeweils über den gleichen Zahlenwert, die eingeprägte Nummer. Das Sprachmaterial wird zu „Minidramen“ zusammengefügt, basierend auf einer mathematischen Formel.

Bedeutungen zu suchen, liegt bekanntermaßen im Wesen des Menschen. Wenn nun Michael Endlicher im automagic walldrawing, das auf einer Wand im Untergeschoss der Galerieräume zu finden ist, die zweireihige Buchstabenabfolge GTFORIOUNDEE/CWPAAULRRMME notiert, spielt er bewusst mit dem Phänomen des Zauberspruches. Zugleich aber referiert er auf Die Bibliothek von Babel des lateinamerikanischen Autors Jorge Luis Borges, der am Beginn des Buches darauf verweist, dass selbst der Buchstabenabfolge „dhcmrlchtdj“ in irgendeiner Sprache eine Bedeutung zukommt. Im automagic walldrawing versteht sich die Kombination als Codierung mit intertextuellem Verweis zum englischen Text des Automagic Mirror mit Schlüsselworten wie „good“, „true“ oder „fine“.

Der Ausstellungstitel automagic impliziert die Auseinandersetzung mit dem Selbst. Nicht zufällig beginnen die automagics, die neuen bunten Aluminiumbleche Endlichers, immer wieder mit dem englischen "I" oder dem englischen "my". Das Ich findet sich zwischen suchen und finden auch in einem Satz wieder, der die aktuelle Ausstellung prägt: "Ich bin ganz ruhig". Ein sprechender Spiegel, Automagic Mirror beginnt seinen sonoren Auftritt mit genau jenem meditativen Satz, dem viele andere als Zauberformeln der Selbstbestätigung folgen. Als bewusste Autosuggestion angelegt - deren Begründer, der französische Apotheker Emile Coue (1857-1926) stellte fest, dass die Wirkung von Medikamenten durch positive Formulierungen bei der Einnahme verstärkt werden konnte - wird sich im Verlauf der sechsminütigen Litanei dieser Satz noch mehrfach wiederholen, um nach dreimaliger Setzung zwischen „Mein Leben ist lebenswert“ und dem Schlusssatz „Ich werde es mit Stil beenden“ seine Bedeutung zu manifestieren. Zu Ende geht es dennoch nicht, denn in Religion und Mythologie wird der Spiegel nicht nur als Zeichen des Todes, sondern auch der Wiedergeburt verstanden. Dementsprechend wurden etwa Keltinnen mit einem Spiegel begraben. Der kretische Gott Zagreus, der Sohn der Persephone und des Zeus, wurde von den Titanen noch als Kind, während er in den Spiegel blickte, in Stücke zerhackt, um später als Dionysos wiedergeboren zu werden. Eine weitere Verwandlung, die in besonderem Maße mit dem Spiegelbild in Zusammenhang steht, findet sich bei Ovids Metamorphosen: die Erzählung von Narziss, dem schönen Sohn des Flussgottes Kephisos und der Nymphe Leiriope, der die Liebe der Nymphe Echo zurückwies und zur Strafe seinem eigenen Spiegelbild im Wasser verfiel. Zwei Versionen erzählen, wie er zu Tode kam: Wellen hätten sein schönes Spiegelbild getrübt und er sei aus falschem Gram darüber, hässlich zu sein, gestorben. Nach andere Überlieferung ertrinkt Narziss beim Versuch, sich mit dem Spiegelbild zu vereinigen. In jedem Fall verwandelt er sich nach seinem Tod in eine gelbe Blüte, die Narzisse. Thomas Macho kommt zur Schlussfolgerung, dass sich Narziss nicht in sich selbst, sondern in ein körperloses Trugbild verliebt. In Worten von Paul Valery, aus Narcisse parle: „Je ne sais plus aimer que l'eau magicienne“ - „Ich weiß nichts mehr zu lieben als das Zaubernass“.

Im Automagic Mirror konfrontiert Michael Endlicher den Betrachter ebenfalls mit dem eigenen Spiegelbild. Durch die beschriftete Spiegeloberfläche überlagert er den Ausstellungsbesucher mit Text: „ICHBINGANZ“ „SAUBER“ „RUHIG“ „STRÖMEN“". Durch die autosuggestive Klanginstallation lässt er den Spiegel sprechen und verleiht dem Objekt wie durch Zauberhand eine menschliche Stimme. Dass bei Michael Endlicher Dinge zu Wort kommen, zeigen aber bereits die Nummerntafeln, die im Rahmen einer Ausstellung für das Technische Museum entstanden. Das Auto äußert - "Die Ohren sind ganz Ohr. // Ich spreche laut und deutlich" - ebenso lautmalerisch wie selbstreferentiell: „BrummBrumm".

Theresia Hauenfels, 2007. Studium der Romanistik und Geschichte, Universität Wien, sowie Kulturgeschichte, Universität für angewandte Kunst Wien. Sie war u.a. Kuratorin der Galerie raumimpuls, Waidhofen/Ybbs, Projektkoordinatorin der „Architekturlandschaft Niederösterreich“ und Organisatorin des Symposiums „res urbanae-Waidhofner Begegnungen“. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Architektur und bildender Kunst.
 
Automagic Mirror | automagic, Galerie Peithner-Lichtenfels, 2007