R W H - die Altar-Intervention im Zwickauer Dom
Die Intervention zur Fastenzeit im Zwickauer Dom (Sachsen, D) verdeckt den berühmten gotischen Wolgemut-Altar aus dem Jahr 1479 mit 3 violetten Buchstabenbannern. RWH steht für das gleichlautende aramäische Wort, gesprochen Ruach (im Hebräischen: Ruah). Es eröffnet ein weites Bedeutungsfeld: Ruach steht für „Geist“ oder „bewegter Luft“, aber es wird/wurde auch mit „Windhauch“, „Atem“, „Lebensodem“ bis hin zu „Atem Gottes“ übersetzt. Die Bedeutung hat sich vermutlich vom „feurigen", also kriegerischen Atem Gottes zum lebensschaffenden Odem gewandelt. Martin Luther hat es schließlich als „heiliger Geist“ transkripiert. RWH markiert eine Schnittstelle zwischen Organischem und Spirituellem; es steht in der Summe aller Bedeutungen für „Geist“, für Bewusstsein, Offenheit, Intelligenz und Humanität. Die Installation setzt RWH als Symbol einer positiven Veränderung ein, gleichsam als Wind of Change.
Rein formal ist die Beschränkung auf Konsonaten visuell auffällig. Aramäisch gilt als „erste Weltsprache“, auch Jesus hat sie verwendet. Sie ist ab etwa 700 v Chr nachgewiesen und wird heute noch in neuaramäischen Dialekten im vorderen Orient gesprochen. Aramäisch basiert auf Konsonaten, Vokale werden durch Punkte und Striche ergänzt, um die Aussprache zu erleichtern. RWH ist jedoch längst kein rein theologischer Begriff mehr, sondern auch technisches Kürzel oder Firmenbezeichnung.
Im Zusammenhang mit der christlichen Tradition der Altarverhängungen spiegelt die Buchstabeninstallation RWH das Prinzip des „Augenfastens“, also des Verzichtens auf Bilder wider, das die Enthaltsamkeit während der Fastenzeit ergänzt.
Das Schriftprinzip der Arbeit entstammt Endlichers Serie der Initialen. „Initialen“ werden als auffällige Einladung in Bücher und Texte als Gestaltungsprinzip gedacht, aber auch generell als Anfangs/Geburts/Identifikationssymbole. Endlichers Initialen entstehen durch Überlagerungen von bis zu 16 unterschiedlichen Typos des jeweiligen Buchstabens. Die durchscheinende luftige Optik lässt eine Art ephemeren Durchleuchtungseffekt entstehen – und trägt die RWH-Thematik der Durchlüftung weiter.
Wie so oft dreht sich Endlichers Arbeit um Mehrdeutigkeit. Versponnene Interpretationsfelder entstehen, die eine überraschend produktive Sicht auf die – durch Sprache geschaffene – Realität der Welt werfen.
Michael Endlicher, 2025
R W H, Digitaldruck auf plastifizierter Leinwand, 420 x 660 cm, 2025 |
Installation von 5. März bis 18. April 2025 im Dom in Zwickau.
